Karlihausverein e.V. Seifhennersdorf

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Ambulatorium Seifhennersdorf  (seit Jahren ungenutzt)


Die Geschichte des Gebäudes an der Otto-Simm-Straße 4 in Seifhennersdorf
Die Stadt Seifhennersdorf, im malerischen Sachsen gelegen, hat nicht nur eine bewegte Geschichte, sondern kann auch auf einige markante Bauwerke zurückblicken, die von der industriellen Entwicklung und den sozialen Veränderungen der Region zeugen. Eines dieser bedeutenden Gebäude ist das ehemalige Ambulatorium an der Otto-Simm-Straße 4. Ursprünglich als Kleiderfabrik erbaut, hat es im Laufe der Jahrzehnte verschiedene Funktionen übernommen und war ein zentraler Anlaufpunkt für die Bürger der Umgebung.

Die Anfänge als Kleiderfabrik
Erbaut um 1900, wurde das imposante Massivgebäude zunächst von den Gebrüdern Hempel als Kleiderfabrik genutzt. In dieser Zeit blühte die Textilindustrie, und die Fabrik produzierte eine Vielzahl von Textilien, die nicht nur lokal, sondern auch überregional gefragt waren. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs war das Unternehmen Max Moritz der Hauptnutznießer des Fabrikgebäudes, wo hochwertige Kleidung hergestellt wurde.
Doch mit dem Ende des Krieges und den damit verbundenen politischen Umbrüchen in Deutschland änderte sich die Situation für die Fabrik und ihre Mitarbeiter. 1947 wurden die damaligen Besitzer enteignet, und die Verwaltung des VEB Schuhfabrik Seifhennersdorf zog in die Räumlichkeiten ein. Diese Zeit war geprägt von einer Notwendigkeit, die durch den Krieg und die nachfolgende Wirtschaftskrise bedingten Herausforderungen zu bewältigen.

Die Gründung des Ambulatoriums
Bereits im Jahr 1946 war ein Ambulatorium in der Gemeinde eingerichtet worden, da die Gemeindeverwaltung besorgt war über die Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten sowie anderen Infektionskrankheiten wie Diphtherie und Typhus. Das Ambulatorium diente dazu, den Gesundheitszustand von Beschäftigten in Lebensmittelverkaufsstellen, Fleischereien, Gastwirtschaften, Friseursalons und Kinos regelmäßig zu kontrollieren. Auch Reihentestungen und Impfungen für die jüngere Bevölkerung wurden hier durchgeführt.
Trotz der bereits bestehenden medizinischen Dienststellen war der Gemeinderat der Überzeugung, dass die Gesundheitsversorgung in der Region ausgebaut werden musste. 1953 wurde daher beschlossen, in der ehemaligen Moritzschen Fabrik ein modernes Landambulatorium einzurichten. Im Jahr darauf begannen die Bauarbeiten, die unter der Regie der ortsansässigen Firma Walter Wall standen. Dies geschah nicht nur durch professionelle Handwerker, sondern auch mit Unterstützung der örtlichen Bevölkerung, die laut Aufzeichnungen insgesamt 2.717 Stunden im Rahmen des Nationalen Aufbauwerks (NAW) zur Verfügung stellten.
Die offizielle Eröffnung des neuen Ambulatoriums fand am 8. Mai 1955 statt. Die modernen Einrichtungen umfassten neben Behandlungsräumen auch Wohnräume für die medizinischen Fachkräfte, darunter der leitende Arzt, die Gemeindeschwester sowie der Hausmeister. Führender Arzt war Dr. Bojko, unterstützt von einer Ärztin, zwei Zahnärzten und einem Team von etwa 30 Mitarbeitern, darunter Hebammen, Schwestern, zahnärztliche Helferinnen und Verwaltungspersonal.

Ausbau und Modernisierung
Im Jahr 1960 erfuhr das Ambulatorium eine umfassende Renovierung und Erweiterung. Die neu gestaltete Einrichtung bot nun eine umfassende Gesundheitsversorgung mit einer allgemeinen Ambulanz, einer Zahnstation inklusive Röntgenabteilung, einer Bäder- und Massageabteilung sowie einem eigenen Labor. Besonders stolz war man auf die Entbindungsstation, da diese auf dem Land keineswegs alltäglich war. In den ersten fünf Jahren der Einrichtung kamen hier etwa 1.000 Kinder zur Welt, was die Bedeutung des Ambulatoriums als zentrale Gesundheitseinrichtung für die Gemeinde weiter untermauerte.
Das Landambulatorium stellte somit nicht nur eine medizinische Versorgung sicher, sondern wurde auch zu einem sozialen Knotenpunkt der Gemeinde, an dem Menschen nicht nur behandelt, sondern auch beraten und betreut wurden. Regelmäßige Mütterberatungen und Schutzimpfungen gehörten zum festen Programm.

Der Einfluss der Wende
Die Wende 1989 brachte massive Veränderungen mit sich. Das Ambulatorium wurde geschlossen, doch einige Ärzte führten ihre Praxen noch für eine Zeit weiter. Ein Zahnarzt, eine Kinderärztin und ein Frauenarzt hielten die medizinische Versorgung aufrecht. Doch die Rückübertragung der Immobilie an die Nachfahren der Familie Moritz im Jahr 1994 war ein weiterer Einschnitt in der Geschichte des Gebäudes. Diese Rückgabe führte dazu, dass die ursprünglichen Besitzer das einst blühende Fabrikgebäude zurückerhielten.
Allerdings wurde die Produktionsaktivität nie wieder aufgenommen. Nach dem Tod des Alteigentümers veräußerten dessen Söhne die Immobilie 2010 an eine Schweizer Aktiengesellschaft, die zunächst plante, dort eine Hundeschule zu betreiben. Dieser Betrieb existierte jedoch ebenfalls nur für eine begrenzte Zeit und stellte letztendlich seine Tätigkeit ein.

Der aktuelle Zustand des Gebäudes
Seit August 2010 steht das Gebäude an der Otto-Simm-Straße 4 leer. Die Hundeschule für Spezialhunde, die kurzzeitig dort untergebracht war, hat ihren Betrieb eingestellt. Nun verfällt das einstige Ambulatorium zusehends und wartet auf eine sinnvolle Nutzung. Der Leerstand ist nicht nur ein Verlust für die Geschichte des Gebäudes, sondern auch für die Gemeinde, die durch die Rückkehr zur gewohnten Moderne überrascht und herausgefordert wird.

Fazit
Die Geschichte des Gebäudes an der Otto-Simm-Straße 4 spiegelt die weitreichenden sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen wider, die Seifhennersdorf im 19. und 20. Jahrhundert geprägt haben. Vom industriellen Zentrum der Textilproduktion bis hin zu einer wichtigen Gesundheitseinrichtung entwickelte sich das Gebäude zu einem Wahrzeichen der Stadt. Die aktuelle Unsicherheit und der Leerstand stehen im krassen Gegensatz zu seiner dynamischen Vergangenheit. Es bleibt abzuwarten, welchen Weg das Gebäude in der Zukunft einschlagen wird und ob es vielleicht eines Tages wieder zu neuem Leben erweckt wird.
In einem Zeitalter, in dem der Erhalt von historischen Gebäuden immer wichtiger wird, könnte das ehemalige Ambulatorium an der Otto-Simm-Straße 4 erneut als Ort der Begegnung und des Wohlstands dienen, wenn ihm endlich die Aufmerksamkeit zuteil wird, die ihm gebührt.

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