Karlihausverein e.V. Seifhennersdorf

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Der Kretscham von Seifhennersdorf: Ein Stück Ortsgeschichte (abgerissen)

Einleitung                                                                                                  Der Kretscham, ein Begriff, der in der Oberlausitz tief verwurzelt ist, steht nicht nur für einen Dorfgasthof, sondern verkörpert auch die kulturelle Identität und Tradition einer Region. In Seifhennersdorf war der Kretscham nicht nur ein Ort des Beisammenseins, sondern auch ein wichtiger Teil des gemeindlichen Lebens über Jahrhunderte hinweg. Im Folgenden soll die Geschichte, die Funktion und die Bedeutung des Kretschams sowie die Umstände seines Abrisses näher beleuchtet werden.

Ursprung und Bedeutung des Begriffs Kretscham
Der Begriff "Kretscham" leitet sich aus dem altsorbischen Wort *krč’ma* ab, welches so viel wie Schenke oder Kneipe bedeutet. In der regionalen Mundart wird er oft als *Kraatschn* ausgesprochen. Historisch gesehen fungierte der Kretscham häufig als Sitz eines Schultheißen, der mit der Schankgerechtigkeit betraut war und somit auch eine wichtige Rolle im Dorfgericht spielte. Der Wirt, in diesem Fall der Kretzschmar, war nicht nur für die Bewirtung der Gäste zuständig, sondern auch eine zentrale Figur des sozialen Lebens im Dorf. 
In vielen Dörfern der Oberlausitz trugen Gaststätten den Namen Kretscham, was zeigt, wie bedeutend diese Einrichtungen für das alltägliche Leben waren. Sie boten nicht nur Speisen und Getränke an, sondern dienten auch als Versammlungsorte und kulturelle Zentren, wo Feste gefeiert und Neuigkeiten ausgetauscht wurden.

Die Geschichte des Seifhennersdorfer Kretschams
Der Seifhennersdorfer Kretscham wurde zwischen 1600 und 1650 erbaut und war damit eines der ältesten Gasthäuser in der Region. Über Jahrhunderte hinweg prägte er das Ortsbild und war ein fester Bestandteil des kulturellen Lebens. Als das Gebäude anno 1676 durch einen Brand zerstört wurde, erfolgte der Wiederaufbau zügig, und der Kretscham erfuhr im Laufe der folgenden Jahrhunderte ständige Erweiterungen und Renovierungen.
Im Jahr 1964 erhielt der Kretscham (auch bekannt alsBetriebsferienhein ORWO) einen umfassenden Umbau, bei dem die historische Bausubstanz gründlich modernisiert und zudem eine Kegelbahn eingerichtet wurde. Diese Kegelbahn war besonders beliebt, da sie die erste in Ostsachsen mit einer automatischen Aufsetzanlage war. Viele sportbegeisterte Kegelkameraden aus der ganzen Region besuchten den Kretscham, um dort Wettkämpfe auszutragen und gesellige Stunden zu verbringen.

Der Kretscham in den letzten Jahrzehnten: Nach der Wende 1989 und der darauf folgenden Wiedervereinigung Deutschlands erlebte der Kretscham eine schleichende Veränderung. Er wurde zunächst privat gepachtet und bis 1995 weiterbetrieben. Danach wechselte er mehrmals den Besitzer( Verkauf durch die Treuhand), ohne dass eine nachhaltige Nutzung zustande kam. Zu allem Übel trat bei einem der Verkaufsprozesse ein Schwammbefall auf, der nicht offengelegt wurde, was letztlich dazu führte, dass der Erwerber den Vertrag rückabwickeln musste.

Der letzte private Eigentümer brach seinerseits alle Verantwortung für das Grundstück und das Gebäude ab, sodass der Kretscham zu einem Schandfleck im Ort wurde. Die Stadtverwaltung sah sich zunehmend Beschwerden von Anwohnern und Nachbarn ausgesetzt, die das marode und unsichere Bild des Gebäudes anprangerten. Trotz wiederholter Aufforderungen seitens der Stadt, für Ordnung und Sicherheit zu sorgen, blieb der Zustand des Kretschams unverändert.

Der Abriss des Kretschams : Die Situation eskalierte schließlich, und die Stadtverwaltung sah keinen anderen Ausweg, als die Zwangsversteigerung des Kretschams anzustreben. 2000 Euro betrug das Mindestgebot, doch es fand sich kein Käufer, der Interesse hatte, das verfallene Gebäude zu restaurieren. Aufgrund der unhaltbaren Sicherheitslage und der drohenden Gefahren wurde schließlich die Denkmalschutz-Einstufung aufgehoben – dies war der letzte Schritt, um den Abriss des Kretschams einzuleiten. 2011 begann der Abriss, der mit einem großen Abrissbagger vonstatten ging. Das Bild des Stadtteils veränderte sich in rasanter Geschwindigkeit, als ein Stück Ortsgeschichte unwiderruflich verschwand. Während des Abrisses wurden viele Seifhennersdorfer mit gemischten Gefühlen zurückgelassen. Einerseits wurde die Notwendigkeit des Abrisses aufgrund des jahrelangen Verfalls des Gebäudes anerkannt, andererseits verspürten viele eine tiefe Traurigkeit über den Verlust eines so geschichtsträchtigen Hauses, das über 400 Jahre lang Teil ihrer Gemeinschaft war.

Der Kretscham heute: Heute ist vom ehemaligen Kretscham nichts mehr zu sehen. Das Grundstück wurde nach dem Abriss freigeräumt, und der Platz war vorerst ungenutzt. danach Nutzung durch eine Gartenbaufirma. Für viele Einwohner von Seifhennersdorf bleibt der Kretscham ein lebendiger Teil ihrer Erinnerungen und ihrer Kultur, auch wenn das physische Gebäude nun nicht mehr existiert. Es ist zu hoffen, dass die Stadtverwaltung und die Bürger von Seifhennersdorf gemeinsam neue Pläne entwickeln, um den historischen und kulturellen Wert des Kretschams in anderer Form aufrechtzuerhalten. Ein Gedenken an diesen charakteristischen Teil der Ortsgeschichte könnte in Form von Veranstaltungen, Ausstellungen oder sogar einem nachgebauten Denkmal realisiert werden.

Fazit: Der Kretscham von Seifhennersdorf war weit mehr als nur ein Gasthaus – er war ein zentraler Ort des gesellschaftlichen Lebens, ein kulturelles Zentrum und ein Stück Heimat. Der Verlust des Kretschams ist ein Verlust für die gesamte Gemeinde, aber seine Geschichte lebt in den Erzählungen der Bewohner weiter. Es liegt an der neuen Generation, diese Erinnerungen zu bewahren und den Geist des Kretschams in irgendeiner Form zurück ins Gedächtnis zu bringen. 

 





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