Karlihausverein e.V. Seifhennersdorf

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  Seifhennersdorf im Schatten des Napoleonischen Krieges 


Seifhennersdorf, ein kleines Dorf in der Oberlausitz, war während der Napoleonischen Kriege zwar nicht direkt vom Kriegsgeschehen betroffen, litt jedoch erheblich unter den wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Konflikte. Die Abgaben und Steuern, die die Bevölkerung ertragen musste, hinterließen tiefe Spuren. Diese Situation verdeutlicht die Leiden der Dorfbewohner, die durch einen stetigen Druck von Seiten der damaligen Obrigkeit und der Kriegsmaschinerie gequält wurden.

Die Abgabenlast von 1806: Im Jahr 1806 wurden die Einwohner Seifhennersdorfs mit Abgaben an das kurfürstliche Magazin in Bautzen belastet. An einem einzigen Tag, dem 19. März, mussten sie 13 Scheffel Korn und 141 Scheffel Hafer, 55 Zentner und 106 Pfund Heu sowie 1 Schock und 52 Bund Stroh liefern. Diese Menge war enorm für das das Dorf, das oft nur bescheidene Erträge einfuhren. Auf drängenden Befehl am 9. September wurden die Dorfbewohner erneut aufgefordert, 70 Scheffel Hafer, 10 Zentner Heu und zusätzlich Stroh zu liefern. Der Druck war so groß, dass die Bauern gezwungen wurden, ihre frisch eingebrachten Ernten über Nacht zu dreschen. In dieser Nacht hallte einzig das Klappern der Dreschpflegel durch die Dunkelheit, während die Dorfbewohner unermüdlich arbeiteten. Die Unverhältnismäßigkeit der Abgaben wurde am 12. September noch deutlicher, als weitere 352 Scheffel gefordert wurden. Am folgenden Tag sandten die Dorfbewohner zum Transport von Gütern; 24 Wagen, zur Hälfte Zweispänner und zur Hälfte Dreispänner, diese wurden für die Preußen bereitgestellt. Der 14. September brachte eine zusätzliche Herausforderung. Zusammen mit sechs anderen Dörfern musste Seifhennersdorf 8 Pferde und 3 Knechte zur Verfügung stellen. Ein schleichendes Gefühl der Ohnmacht und Ungerechtigkeit machte sich breit, während das Leben in der Gemeinde durch die Kriegsanstrengungen dominiert wurde.

Der politische Umbruch und seine Folgen: Der militärische Druck hatte nicht nur materielle, sondern auch politische Konsequenzen. Am 14. Oktober 1806 erlitten die verbündeten Truppen nach der bedeutenden Niederlage bei Jena und Auerstedt eine herbe Schlappe. Für Sachsen bedeutete dies den Beitritt zum Rheinbund, was die dauerhafte militärische Einbindung in die französischen Kriegsanstrengungen mit sich brachte. Die Kriegskosten, die auf Sachsen lasteten, beliefen sich auf unfassbare 7 Millionen Taler, von denen 800.000 Taler auf die Oberlausitz entfielen. Trotz der Übernahme eines Drittels dieser Summe durch den sächsischen Kurfürsten und einen Erlass auf 650000 Taler musste die gesamte Region ungemein leiden. Auch hier in Seifhennersdorf wurden Tafeln mit der Aufschrift „Saxe electoral, territoire neutre“ (zu Deutsch Sachsen neutrales Territorium) aufgestellt, um den Eindruck eines neutralen Territoriums vor dem anrückenden französischen Militär zu erwecken. Man könnte diese Tafeln bis in die 1870er Jahre hinein sehen, bevor sie aus Unkenntnis verfeuert wurden. Die Belastungen durch die Kontribution betrugen für Seifhennersdorf 1765 Taler und 17 Groschen, eine gewaltige Summe für eine ländliche Gemeinde.

Der Krieg zieht in die Heimat: 1809 wendete sich das Blatt erneut. Österreichs unglücklicher Krieg gegen Napoleon führte dazu, dass Sachsen gezwungen war, auf der Seite Napoleons zu kämpfen. Christian Friedrich Müller aus dem Mitteldorf dabei fiel  am 15. August im Grenadierbataillon von Winckelmann. Am 28. Mai 1809 machte sich ein sächsisches Corps unter Oberst von Thielmann mit 250 Mann Kavallerie und 150 Mann Infanterie sowie 3 vierpfündigen Kanonen und 1 Haubitze auf den Weg von Dresden. Beim Durchmarsch wurde halt auf der Richterwiese hinter dem Kretscham gemacht. Im Jahr 1812 zog Napoleon mit seiner gewaltigen Armee von über einer halben Million Mann, in der sich auch 2138 Sachsen und 7173 Pferde befanden, nach Russland. Die Zahl der ausgehobenen Männer aus Seifhennersdorf variiert in den Quellen, doch fest steht, dass zwischen 26 und 30 Männer in den Krieg einberufen wurden.

Das Schicksal der Soldaten: Von diesen Soldaten sind einige tragische Schicksale überliefert. Gottfried Hahmann aus Mitteldorf starb am 18. Januar 1813 in russischer Gefangenschaft, und auch andere wie Gottfried Berndt, Georg Donath, Gottlieb Elsner, Chr. Fr. Elsner, Chr. Fr. Berndt, Chr. Fr. Schubert und Gottlieb Donath fielen während des Russlandfeldzugs. Im Gegensatz dazu kehrten einige Männer wie Johann Gottlieb Stolle, Chr. Fr. Walter, Chr. Fr. Müller, Großer genannt der Dicke, ein Hübner und Christian Friedrich Walter in ihre Heimat zurück, doch die Wunden des Krieges blieben zurück, sowohl körperlich als auch seelisch.

Die erneute Ausbeutung im Jahr 1813: Am 17. Februar 1813 wurde die Dorfgemeinschaft erneut zur Lieferung von 88 Scheffel Hafer, 32 Zentner Heu, 5532 Pfund Stroh, 900 Pfund Rindfleisch, 60 Pfund Salz und 132 Kannen Branntwein aufgefordert. Der Druck, dem die Dorfbewohner immer wieder ausgesetzt waren, führte zu einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Im Mai 1813 wurden viele Einwohner zum Schanzen nach Bautzen beordert, während gleichzeitig russische Kommandos in die Region eindrangen, um zu fouragieren. Am 17. Mai 1813 ergriffen einige Einwohner die Flucht über die Grenze nach Böhmen, während am 18. Mai die Getreideböden und Scheunen in Seifhennersdorf geplündert wurden. Der ohrenbetäubende Kanonendonner der Schlacht bei Bautzen war am 20. Mai hörbar, während die Bewohner über die politischen und wirtschaftlichen Turbulenzen, die über ihnen schwebten, in Ungewissheit lebten. Die lastenden kriegerischen Anstrengungen bedeuteten für Seifhennersdorf eine ständige Bedrohung, und viele Pferde sowie Wagen, die zur Lieferung in die nahegelegene Stadt Bautzen geschickt worden waren, kehrten nie zurück.

Historischer Rückblick auf die Ereignisse im Sommer und Herbst 1813: Im Kontext der Koalitionskriege gegen Napoleon war die Zeit zwischen dem 4. Juni und dem 26. Juli 1813 von einem Waffenstillstand geprägt, der eine gewisse Ruhe in den kriegsgeplagten Regionen brachte. Diese Periode erlaubte es den verschiedenen Militärverbänden, sich neu zu gruppieren und ihre Strategien anzupassen. Insbesondere erlebte das Gebiet um Seifhennersdorf und Zittau bedeutende militärische Bewegungen, die letztlich die Bürger und die lokale Wirtschaft stark beeinflussten. Quartier und Rekrutierung: In den Wochen des Waffenstillstands waren die polnischen Truppen des Fürsten Poniatowski in Quartier auf dem sogenannten Belgergute, wo auch der Exerzierplatz lag. Dies führte zu einer besonderen Belastung für die ansässige Bevölkerung. Bereits am 10. Juni kam es zur Mobilisierung von Reservisten aus den Orten Eibau und Seifhennersdorf, als eine Abteilung der Bürgermiliz aus Zittau diese rekrutierte. Die Durchführung der Rekrutierung war jedoch problematisch, da sich beide Gemeinden weigerten, die geforderten Zahlen an Soldaten zu stellen. Diese Weigerung war nicht ohne Konsequenzen: Viele der jungen Männer, die dem Aufruf folgten, kehrten nie zurück. Sie starben an Krankheiten, die in der Festung Torgau grassierten. Zu den bekanntesten Opfern dieser unglücklichen Rekrutierungsmaßnahme gehörten Christian Friedrich Roscher, Gottlieb Franze und Christian Großer.

Versorgungspflichten und Abzüge: Nachdem der Waffenstillstand endete, nahmen die militärischen Anforderungen an die Ortschaften wieder zu. Am 27. Juli 1813 musste Seifhennersdorf 1 Metze Hafer und insgesamt 12.480 Pfund Heu liefern – eine Leistung, die für ein kleines Dorf eine enorme Belastung darstellte. Der Abzug der polnischen Truppen am 15. August in Richtung Hirschfelde und Ostritz markierte einen weiteren Wendepunkt. Österreich hatte sich mittlerweile auf die Seite der Verbündeten gegen Napoleon geschlagen, was die strategische Lage zusätzlich veränderte. Militarisierung und Plünderungen: Mit dem Einmarsch des Generals Lefebre-Desnouettes und dem darauf folgenden Zug von General Vandamme und seinem Armeecorps am 18. August nahm die militärische Präsenz in der Region drastisch zu. Zwischen Ebersbach und Seifhennersdorf lagerten sich mehr als 54.000 Mann. Diese massive Truppenkonzentration erforderte von den umliegenden Dörfern erneut die Lieferung von Lebensmitteln und anderen wichtigen Materialien. Seifhennersdorf wurde aufgefordert, 24 Schock Stroh, ungebrochenes Korn, Hafer und Flachs bereitzustellen. Ein besonders bedauerlicher Vorfall ereignete sich am 10. Trinitatissonntag, als französische Soldaten plünderten und dabei mehrere Zivilisten, wie den Kramer Stolle und den Bäcker Bäckehansjörg, mit Bajonettstichen schwer verletzten. Diese Gewalttaten führten zu einer Welle der Empörung in der kleinen Gemeinde und zeigten die brutalen Auswirkungen des Krieges auf das Leben. Glücklicherweise war das Gardekommando, das aus Rumburg kam und von einem 15-jährigen Mädchen angerufen wurde, rechtzeitig zur Stelle, um den französischen Soldaten Einhalt zu gebieten. Dennoch war es nur ein temporärer Sieg. Am 24. August brach das Corps von Rumburg auf und zog weiter in Richtung Böhmen, während die ersten russischen Kosaken bereits am 25. August in der Region auftauchten.

Veränderungen nach der Schlacht: Die militärischen Bewegungen blieben auch im September nicht aus. Vom 1. bis zum 2. September marschierten durch Seifhennersdorf 15.000 Mann mit 45 Geschützen und vielen Wagen, was die örtliche Bevölkerung erneut in Alarmbereitschaft versetzte. Am 3. September trafen zuerst die Kosaken, später die österreichischen Husaren ein. Diese verlangten sofortige Lieferung von Hafer, Heu, Stroh, Fleisch, Brot, Branntwein und Bier nach Rumburg. Die Zivilbevölkerung war gezwungen, den Anforderungen der Streitkräfte nachzukommen, oft unter größtem Druck und in kürzester Zeit. In den darauffolgenden Tagen fanden mehrere Durchmärsche kleinerer Abteilungen von Russen, Preußen und Österreichern statt. Der 6. September verlief ruhig; es gab keine nennenswerten Vorfälle. Doch schon am 10. September marschierten wieder mehrere Bataillone der märkischen Landwehr mit zwei Kanonen nach Rumburg durch und verstärkten die militärische Präsenz im Gebiet.

Straßenbau und lokale Herausforderungen: Am 23. September war die Bevölkerung von Seifhennersdorf aufgefordert, zur Ausbesserung der Straßen von Pethau nach Warnsdorf 160 Personen zu stellen. Dies stellte sich jedoch als unmöglich heraus, da viele Einwohner als Karrenschieber nach Rumburg, Löbau und Bautzen abgezogen worden waren. Das führte dazu, dass sich der Rat am 3. Oktober entschuldigen musste, weil man die Anforderungen aufgrund der aktuellen Umstände nicht erfüllen konnte. Ein Vermächtnis des Krieges: Die langen Schatten des Krieges zogen sich bis ins nächste Jahrhundert. Der letzte Veteran der Freiheitskriege, Johann Gottfried Franze, geboren 1794 und 1814 zum Militär eingezogen, wurde wegen Invalidität 1815 verabschiedet. Er verstarb am 2. Januar 1887 nach einem langen Leben von 92 Jahren, 4 Monaten und 29 Tagen.

Fazit: Die beschriebenen Ereignisse aus dem Zeitraum von 1806 bis 1813 zeigen eindrücklich, wie der Krieg das Leben der Menschen in Seifhennersdorf und Umgebung prägte. Aus der Pflicht zur Unterstützung der Kriegsanstrengungen entwickelte sich eine Dramaturgie von Leid, Verlust und letztlich auch von heldenhafter Standhaftigkeit. Der Sommer und Herbst 1813 waren geprägt von einem ständigen Wechsel zwischen Hoffnung und Verzweiflung, zwischen militärischer Kontrolle und dem verzweifelten Streben der Zivilbevölkerung, ihren Alltag aufrechtzuerhalten. Der historische Rückblick lehrt uns, dass Frieden nicht nur eine Abwesenheit von Krieg ist, sondern auch die aktive Suche nach Gerechtigkeit und menschlichem Wohlsein in Zeiten der Ungewissheit.